04.04.2018Verkehrsrecht

Haftung nach "Vollbremsung aus dem Nichts"

Der erste Anschein spricht bei einem Auffahrunfall gegen den Auffahrenden. Es liegt nahe, dass er zu schnell, zu unaufmerksam oder ohne den erforderlichen Abstand gefahren ist. Den Vorausfahrenden kann aber ein sog. Mitverschulden treffen.

In dem Fall, den das OLG Oldenburg zu entscheiden hatte, hatte ein Autofahrer seinen Pkw stark abgebremst und war dann in seine Hauseinfahrt eingebogen. Laut Zeugenaussagen war es eine „Vollbremsung aus dem Nichts“ und dazu noch ohne zu blinken. Die beiden nachfolgenden Fahrer konnten noch gerade rechtzeitig abbremsen. Das gelang dem dritten nachfolgenden Fahrer allerdings nicht. Er fuhr auf das vorausfahrende Auto auf. Das OLG gewichtete die Verschuldensanteile mit 2/3 auf Seiten des Auffahrenden und 1/3 auf Seiten des Abbremsers. Zwar sprach im vorliegenden Fall der erste Anschein gegen den Auffahrenden, denn man muss immer damit rechnen, dass ein vorausfahrendes Auto abrupt anhält, wenn etwa ein Kind auf die Fahrbahn läuft. Hier war es den beiden vorausfahrenden Autos schließlich auch gelungen, noch rechtzeitig abzubremsen. Trotzdem traf auch den Abbremser ein erhebliches Mitverschulden. Denn das von den Zeugen berichtete Verhalten ließ vermuten, dass sich der Fahrer durch einen Überholversuch seines Hintermannes provoziert gefühlt habe und diesen durch das plötzliche Abbremsen habe maßregeln wollen. Bei einem solchen Verhalten muss er sich ein Mitverschulden anrechnen lassen, das durchaus mit 1/3 bewertet werden kann.

04.04.2018Zivilrecht

Neues Bauvertragsrecht

Seit dem 01.01.2018 gilt das neue Bauvertragsrecht. Das im BGB verankerte Werkvertragsrecht wird in vier Kapitel aufgeteilt, Allgemeine Vorschriften, Bauvertrag, Verbraucherbauvertrag und Unabdingbarkeit sowie Architekten- und Ingenieurvertrag und Bauträgervertrag. Insbesondere dient das neue Bauvertragsrecht dem Verbraucherschutz.

04.04.2018Mietrecht

Ordnungsgemäße Betriebskostenabrechnung

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass eine Betriebskostenabrechnung formell ordnungsgemäß ist, wenn sie eine geordnete Zusammenstellung der Einnahmen und Ausgaben enthält

28.02.2018Arbeitsrecht

Befristung der Verlängerung eines Arbeitsverhältnisses über die Regelaltersgrenze hinaus ist zulässig

Die Befristung der Verlängerung eines Arbeitsverhältnisses über die Regelaltersgrenze hinaus ist zulässig. Betroffene Arbeitnehmer können nicht geltend machen, dass es sich dabei um einen Missbrauch befristeter Arbeitsverträge handelt.

(EuGH, Urteil vom 28.02.2018, C – 46/17)

15.02.2018Mietrecht

Zur Räum- und Streupflicht des Vermieters

Ein Vermieter und Grundstückseigentümer, dem die Gemeinde nicht (als Anlieger) die allgemeine Räum- und Streupflicht übertragen hat, ist regelmäßig nicht verpflichtet, auch über die Grundstücksgrenze hinaus Teile des öffentlichen Gehwegs zu räumen und zu streuen.

(BGH, Urteil vom 15.02.2018, VIII ZR 225/16)

12.02.2018Arbeitsrecht

Muss die Krankenkasse Krankengeld trotz verspäteter Vorlage der AU-Bescheinigung zahlen?

Grundsätzlich muss der Versicherte für eine rechtzeitige Übermittlung der AU-Bescheinigung sorgen. Versäumt er dies, führt dies regelmäßig zu einem Verlust des Krankengeldanspruchs. Sofern der Arzt die AU-Bescheinigung jedoch nicht dem Versicherten aushändigt, sondern diese an die Krankenkasse selbst übermittelt, muss sich diese ausnahmsweise eine verspätete Übermittlung zurechnen lassen und trotz der Verspätung Krankengeld an den Versicherten zahlen. In dem Fall, den das Sozialgericht Detmold zu entscheiden hatte, war die Klägerin ab dem 01.06.2016 als Arbeitnehmerin beschäftigt. Sie erkrankte am 10.06.2016 arbeitsunfähig und kündigte dann das Arbeitsverhältnis zum 30.06.2016. Die AU-Bescheinigung vom 10.06.2016 ging am 01.07.2016 bei der beklagten Krankenkasse ein. Diese lehnte wegen verspäteter Vorlage die Zahlung von Krankengeld ab. Die dagegen erhobene Klage hatte vor dem Sozialgericht keinen Erfolg. Zur Begründung führte das Gericht aus, das Krankengeld ruhe für den Zeitraum vom 10.06.2016 bis zum 30.06.2016 und komme damit nicht zur Auszahlung, da die AU-Bescheinigung verspätet übersandt worden sei. Die gesetzliche Meldepflicht sei eine Obliegenheit des Versicherten. Sie bezwecke, dass die Krankenkasse frühzeitig über das Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit informiert und in die Lage versetzt werde, vor der Entscheidung über den Krankengeldanspruch den Gesundheitszustand des Versicherten überprüfen zu lassen, um Zweifel an der ärztlichen Beurteilung zu beseitigen und ggf. auch Maßnahmen zur Sicherung des Heilerfolgs und zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit treffen zu können. Unterlässt der Versicherte die rechtzeitig Meldung, kommt es regelmäßig zu einem endgültigen Verlust des Krankengeldanspruchs.

(Sozialgericht Detmold, Urteil vom 12.02.2018, S 3 KR 824/16)

31.01.2018Mietrecht

Bundesverfassungsgericht soll die Wirksamkeit der Mietpreisbremse überprüfen

Das Bundesverfassungsgericht wird sich mit der Frage zu beschäftigen haben, ob § 556 d BGB verfassungskonform ist oder einen Verstoß gegen das Gleichheitsgebot sowie das Bestimmtheitsgebot enthält. Es wird eine Grundsatzentscheidung erwartet.

Das Landgericht Berlin hält die Vorschrift des § 556 d BGB für verfassungswidrig und hat daher beschlossen, dem Bundesverfassungsgericht die Sache zur Entscheidung vorzulegen. Nach Auffassung des Landgerichts Berlin führe die Vorschrift in mehrerer Hinsicht zur Ungleichbehandlung von Vermietern.

31.01.2018Mietrecht

Außerordentliche Kündigung bei gefährdet erscheinender finanzieller Leistungsfähigkeit des bei Tod des Mieters in das Mietverhältnis Eintretenden?

Eine drohende finanzielle Leistungsunfähigkeit bzw. eine gefährdet erscheinende Leistungsfähigkeit eines nach dem Tod des ursprünglichen Mieters eingetretenen (neuen) Mieters kommt nur in besonderen Ausnahmefällen als wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung nach § 563 Abs. 4 BGB in Betracht. Deshalb muss die auf eine bloß drohende finanzielle Leistungsunfähigkeit oder gefährdet erscheinende Leistungsfähigkeit des eintretenden Mieters gestützte Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Mietverhältnisses stets auf konkreten Anhaltspunkten und objektiven Umständen beruhen, die den zuverlässigen Schluss zulassen, dass fällige Mietzahlungen alsbald ausbleiben werden.

(BGH, Urteil vom 31.01.2018, VIII ZR 105/17)

29.01.2018Arbeitsrecht

Urlaubserteilung: Genehmigungsvorbehalt bis eine Woche vor Urlaubsantritt ist unwirksam

Erstellt ein Arbeitgeber zu Beginn des Jahres einen Urlaubsplan auf Basis der Urlaubswünsche der Arbeitnehmer, muss er in angemessener Zeit dem Urlaubswunsch des Arbeitnehmers widersprechen, wenn er den Urlaub nicht gewähren will. Anderenfalls darf der Arbeitnehmer davon ausgehen, dass sein Urlaub als gewährt gilt. Als angemessen ist ein Zeitraum von einem Monat anzusehen. Eine Regelung, die den Urlaub unter einen Genehmigungsvorbehalt bis eine Woche vor Urlaubsantritt stellt, ist nicht mit gesetzlichen Urlaubsregelungen vereinbar und daher unwirksam.

(Arbeitsgericht Chemnitz, 29.01.2018, 11 Ca 1751/17)

25.01.2018Mietrecht

Mietausfallschaden nach außerordentlicher Vermieterkündigung und stillschweigender unbefristeter Vertragsverlängerung

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass der die stillschweigende Verlängerung eines Mietverhältnisses nach Ablauf der Mietzeit hindernde Widerspruch konkludent schon vor Beendigung des Mietverhältnisses und damit jedenfalls auch mit der Kündigung erklärt werden kann. Eine konkludente Widerspruchserklärung muss den Willen, die Fortsetzung des Vertrags abzulehnen, eindeutig zum Ausdruck bringen. In einem Räumungsverlangen kann eine solche konkludente Widerspruchserklärung liegen.

25.01.2018Mietrecht

Kausalität eines Werkmangels für einen Wasserschaden bei längerer Abwesenheit des Inhabers einer unbewohnten Wohnung

Ein Wohnungsinhaber ist weder bei einer Dienstreise noch bei einem Kurzurlaub gehalten, für mehrfache Kontrolle in der Woche in seiner Wohnung zu sorgen, um einen möglichen Wasserschaden abzuwenden. Solche Maßnahmen sind weder üblich noch können sie von einem vernünftigen, wirtschaftlich denkenden Menschen nach Treu und  Glauben verlangt werden.

(BGH, Urteil vom 25.01.2018, VII ZR 74/15)

16.01.2018Arbeitsrecht

Befristung des Arbeitsvertrages wegen Eigenart der Arbeitsleistung

Die Befristung von Arbeitsverträgen mit Lizenzspielern der Fußballbundesliga ist regelmäßig gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG wegen der Eigenart der Arbeitsleistung sachlich gerechtfertigt. Im Spitzenfußballsport besteht die Besonderheit, dass von den Spielern Höchstleistungen erwartet und geschuldet werden, die diese nur für eine begrenzte Zeit erbringen können. Das begründet in der Regel ein berechtigtes Interesse der Vereine an der Befristung der Arbeitsverhältnisse.

(BAG, Urteil vom 16.01.2018, 7 AZR 312/16)

16.01.2018Zivilrecht

Zur Erstattung des Reisepreises nach Änderung der Reiseleistung durch Reiseveranstalter

Der Reiseveranstalter kann sich nach § 308 Nr. 4 BGB nur solche Leistungsänderungen vorbehalten, die unter Berücksichtigung der Interessen des Reiseveranstalter für den Reisenden zumutbar sind. Zumutbar sind nur Änderungen aufgrund von Umständen, die nach Vertragsschluss eintreten und für den Reiseveranstalter bei Vertragsschluss auch nicht vorhersehbar sind; zudem dürfen sie den Charakter der Reise nicht verändern.

(BGH, Urteil vom 16.01.2018, X ZR 44/17)

15.12.2017Zivilrecht

Beratungspflichten einer Bank bei Abschluss eines strukturierten Darlehens

Eine Bank, die ihrem Kunden im Rahmen einer Finanzierungsberatung den Abschluss eines im Hinblick auf die Zinsen wechselkursbasierten Darlehensvertrags empfiehlt, muss auf die spezifischen Nachteile, Risiken und Besonderheiten dieser Finanzierungsform hinweisen. Die Bank verletzt ihre Aufklärungspflicht, wenn sie die Risiken der vom Kunden übernommenen wechselkursbasierten Zinszahlungsverpflichtung nicht hinreichend deutlich macht, indem sie z. B. weder auf das Fehlen der Zinsobergrenze hinweist, noch die zinsrelevanten Folgen einer nicht nur unerheblichen Währungsaufwertung ausreichend deutlich beschreibt oder gar das Wechselkursrisiko verharmlost.

(BGH, Urteil vom 15.12.2017, XI ZR 152/17)

14.12.2017Zivilrecht

Keine Haftung des Waschanlagenbetreibers für Schäden durch defekten Sensor eines Trocknungsbügels

Der Betreiber einer Waschanlage haftet nicht für Beschädigungen, die durch den Trocknungsbügel einer Waschstraße verursacht werden, dessen Sensor defekt. Er hat grundsätzlich nur für schuldhafte Pflichtverletzungen einzustehen. In dem vom OLG Frankfurt zu entscheidenden Fall, betrieb der Beklagte eine Tankstelle mit einer automatisierten Portalwaschanlage. Am Eingang der Anlage hingen AGB, in denen es lautete: „Bei Eintritt eines Schadens durch den Waschvorgang in der Waschanlage haftet der Waschanlagenunternehmer für den unmittelbaren Schaden“. Der Kläger nutzte die Waschanlage. Während des Trocknungsvorgangs kollidierte der Trocknungsbalken mit der Windschutzscheibe des Fahrzeuges und beschädigte sie. Ursache war ein defekter Sensor. Der Gebläsebalken hatte das Fahrzeug nicht korrekt erkannt und fuhr deshalb nicht die tatsächlich vorhandene Kontur ab. Der Kläger nahm daraufhin den Beklagten auf Schadensersatz in Anspruch. Der Beklagte musste für die Beschädigung nicht einstehen. Grundsätzlich haftet der Betreiber einer Autowaschanlage zwar für Fahrzeugschäden, die bei der Benutzung seiner Waschanlage entstehen. Es ist dabei auch zu vermuten, dass die Schadensursache im Organisations- und Gefahrenbereich des Betreibers liegt, wenn – wie hier – kein Fehlverhalten des Nutzers oder aber ein defekt des Fahrzeugs vorliegen. Der Betreiber der Waschanlage kann jedoch nachweisen, dass der Schaden auch bei Anwendung pflichtgemäßer Sorgfalt nicht zu vermeiden gewesen wäre. Im vorliegenden Fall war dem Beklagten dieser Nachweis gelungen.

Das Gericht hatte nämlich festgestellt, dass die Beschädigung durch einen defekten Sensor der Waschanlage verursacht worden war.

(OLG Frankfurt, a. M., Urteil vom 14.12.2017, 11 U 43/17)

13.12.2017Arbeitsrecht

Befristung des Arbeitsvertrages mit Maskenbildnerin wegen Eigenart der Arbeitsleistung

Die arbeitsvertragliche Vereinbarung einer überwiegend künstlerischen Tätigkeit einer Maskenbildnerin an einer Bühne kann die Befristung des Arbeitsvertrages wegen der Eigenart der Arbeitsleistung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG rechtfertigen.

(BAG, Urteil vom 13.12.2017, 7 AZR 369/16)

06.12.2017Mietrecht

Vermieterpfandrecht an Fahrzeugen des Mieters

Das Vermieterpfandrecht umfasst auch Fahrzeuge des Mieters, die auf dem gemieteten Grundstück regelmäßig abgestellt werden. Das Pfandrecht erlischt, wenn das Fahrzeug für die Durchführung einer Fahrt von einem Mietgrundstück auch nur vorübergehend entfernt wird. Es entsteht neu, wenn das Fahrzeug später wieder auf dem Grundstück abgestellt wird.

(BGH, Urteil vom 06.12.2017, XII ZR 95/16)

01.12.2017Arbeitsrecht

Befristung von Arbeitsverhältnissen älterer Arbeitnehmer

Das Arbeitsgericht Köln hat entschieden, dass die mehrfache Inanspruchnahme der in § 14 Abs. 3 TzBfG vorgesehenen Befristungsmöglichkeit für Arbeitnehmer über 52 Jahre nach längerer Arbeitslosigkeit durch denselben Arbeitgeber nicht zulässig ist. Die im Jahr 2007 bereits 52-jährige Klägerin war mehr als vier Monate arbeitslos, bevor sie ab 01.09.2007 bis zum 29.02.2012 bei der Beklagten befristet auf Grundlage der gesetzlichen Regelung des § 14 Abs. 3 TzBfG beschäftigt war. Nach einer erneuten Arbeitslosigkeit nahm die Klägerin bei derselben Arbeitgeberin ihre Arbeit ab dem 08.07.2012 bis zum 07.07.2017 abermals gestützt auf § 14 Abs. 3 TzBfG wieder auf. Gegen diese Befristung wandte sich die Klägerin. Das Arbeitsgericht hielt die Befristung für unzulässig. § 14 Abs. 3 TzBfG führe, soweit hiernach auch die mehrfache Inanspruchnahme der Befristungsregelung durch denselben Arbeitgeber ermöglicht wird, zu einer unzulässigen Altersdiskriminierung und sei daher mit Unionsrecht unvereinbar. Die Vorschrift sei dahingehend auszulegen, dass bei demselben Arbeitgeber die Befristungsmöglichkeit nur einmal in Anspruch genommen werden kann.

(Arbeitsgericht Köln, Urteil vom 01.12.2017, 9 Ca 4675/17)

23.11.2017Zivilrecht

Zusätzliche stille Beteiligung eines Gesellschafters

Hat ein Gesellschafter zusätzlich zu seiner Beteiligung als Gesellschafter eine (typische) stille Beteiligung übernommen, stellt der Anspruch auf Rückgewähr der stillen Einlage eine dem Darlehen gleichgestellte Forderung dar.

(BGH, Urteil vom 23.11.2017, IX ZR 218/16)

22.11.2017Zivilrecht

Verkäufer kann nach erfolgreichem Antrag des Käufers auf Paypal – Käuferschutz – erneut Kaufpreiszahlung verlangen

Dem Verkäufer steht nach einem erfolgreichen Antrag des Käufers auf Käuferschutz bei Nutzung des Online-Zahlungsdienstes Paypal (erneut) ein Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises zu. Denn mit der Nebenabrede, den Zahlungsdienst Paypal zu verwenden, vereinbaren die Vertragsparteien gleichzeitig stillschweigend, dass die (mittels Paypal) getilgte Kaufpreisforderung wiederbegründet wird, wenn das Paypalkonto des Verkäufers nach Maßgabe der Paypal-Käuferschutzrichtlinie rückbelastet wird.

(BGH, Urteil vom 22.11.2017, VIII ZR 83/16)

09.11.2017Arbeitsrecht

Arbeitnehmer haben keinen Anspruch auf ein ungeknicktes und ungetackertes Arbeitszeugnis

Arbeitgeber erfüllen den Anspruch des Arbeitnehmers auf Erteilung eines Zeugnisses grundsätzlich mit einem Papier, das zweimal gefaltet wurde, um es in einem Geschäftsumschlag üblicher Größe unterzubringen. Das gilt jedenfalls dann, wenn das Originalzeugnis kopierfähig ist und die Knicke im Zeugnisbogen sich nicht auf den Kopien abzeichnen.

(LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 09.11.2017, 5 Sa 314/17)

08.11.2017Arbeitsrecht

Gesetzlicher Mindestlohn zur Anrechenbarkeit von Prämien

Nicht nur das dem Angestellten gezahlte Grundgehalt ist zur Erfüllung des Mindestlohnanspruchs geeignet, auch vom Arbeitgeber gewährte Prämien (hier: für durchgehende Arbeitsfähigkeit, Sauberkeit und Ordnung) können mindestlohnwirksam sein. Mindestlohnwirksam sind alle im arbeitsvertraglichen Austauschverhältnis erbrachten Entgeltzahlungen mit Ausnahme der Zahlungen, die der Arbeitgeber ohne Rücksicht auf eine tatsächliche Arbeitsleistung des Arbeitnehmers erbringt oder die auf einer besonderen gesetzlichen Zweckbestimmung beruhen.

(BAG Urteil vom 08.11.2017, 5 AZR 692/16)

07.11.2017Zivilrecht

Nicht gesetzliche Pflichten eines Gesellschafters einer Publikumsgesellschaft müssen sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergeben

Nach der BGH-Rechtsprechung unterliegen die Regelungen in Gesellschaftsverträgen von Publikumsgesellschaften einerähnlichen Auslegung und Inhaltskontrolle wie AGB. Für den einer Publikumsgesellschaft beitretenden Gesellschafter müssen sich die mit dem Beitritt verbundenen nicht unmittelbar aus dem Gesetz folgenden Pflichten aus  dem Gesellschaftsvertrag klar ergeben.

(BGH, Urteil vom 07.11.2017, II ZR 127/16)

13.10.2017Zivilrecht

Geplatzter Immobilienverkauf: Keine Haftung des Verkäufers wegen Abbruch der Vertragsverhandlunge

Es stellt keine besonders schwerwiegende Treuepflichtverletzung des (potentiellen) Verkäufers eines Grundstücks dar, wenn er – bei wahrheitsgemäßer Erklärung seine Abschlussbereitschaft – dem Kaufinteressenten nicht offenbart, dass er sich vorbehält, den Kaufpreis zu erhöhen. Eine Haftung wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen scheidet deshalb aus. Der (potentielle) Verkäufer haftet auch dann nicht auf Schadensersatz, wenn er zu einem Zeitpunkt Abstand von dem Abschluss eines Grundstückskaufvertrages nimmt, zu dem er weiß, dass der Kaufinteressent im Vertrauen auf das Zustandekommen des Vertrages bereits einen Finanzierungsvertrag abgeschlossen hat.

(BGH, Urteil vom 13.10.2017, V ZR 11/17)


27.09.2017Mietrecht

Heilung einer fristlosen Kündigung wegen Zahlungsverzuges nur bei vollständigem Ausgleich des Zahlungsrückstandes

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass eine fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzuges gemäß § 543 Abs. 2 Satz 2 BGB nur durch eine vollständige Zahlung des Rückstandes die Kündigungsfolgen beseitigen kann.

(BGH, Urteil vom 27.09.2017, VIII ZR 193/16)

19.09.2017Arbeitsrecht

Einsichtsrecht des Betriebsrats: Bruttoentgeltlisten dürfen nicht anonymisiert bereitgestellt werden

Die Bruttoentgeltlisten im Sinne des § 80 Abs. 2 Satz 2 BetrVG dürfen dem Betriebsrat nicht anonymisiert zur Einsicht bereit gestellt werden. Nach der Entscheidung des LAG Hamm müssen die zur Einsichtnahme vorzulegenden Bruttoentgeltlisten auch Namen und Vornamen der Beschäftigten enthalten. Dies ergibt sich daraus, dass der Betriebsrat darüber zu wachen habe, dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze und Tarifverträge eingehalten werden. Er muss in der Lage sein zu bewerten, ob innerbetriebliche Lohngerechtigkeit existiert.

(LAG Hamm, Urteil vom 19.09.2017, 7 TaBV 43/17)

23.08.2017Arbeitsrecht

Gratifikation: Leistungsbestimmungsrecht des Arbeitsgebers über die Höhe

Räumt der Arbeitsvertrag dem Arbeitgeber in zulässiger Weise ein in Bezug auf die Höhe der Sonderzahlung einseitiges Leistungsbestimmungsrecht ein, kann er über die Höhe jeweils nach billigem Ermessen entscheiden. Ob die Leistungsbestimmung billigem Ermessen entspricht, ist einzelfallabhängig. Allein die gleiche Bestimmung der Höhe über einen längeren Zeitraum führt nicht dazu, dass jede andere Leistungsbestimmung nicht mehr der Billigkeit entspricht.

(BAG, Urteil vom 23.08.2017, 10 AZR 376/16)

23.08.2017Arbeitsrecht

Betriebsvereinbarungen als beschäftigtendatenschutzrechtliche Hilfe nach dem Inkrafttreten der Datenschutzgrundverordnung am 25.05.2018

Ab dem 25.05.2018 werden die meisten aktuell in Kraft befindlichen IT-Betriebsvereinbarungen nicht mehr den Anforderungen der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) genügen. So ist die konkrete Zweckbindung einer jeden Datenverarbeitung anzugeben. Hierbei sollte sich eine Betriebsvereinbarung auf die in Art. 88 Abs. 1 DSGVO ausdrücklich genannten Zwecke der Einstellung, der Erfüllung des Arbeitsvertrages einschließlich der Erfüllung gesetzlicher Pflichten, der Zwecke des Managements und der Organisation der Arbeit, der Gesundheit, Sicherheit, Gleichheit und Sicherheit am Arbeitsplatz sowie des Schutzes des Eigentums der Arbeitgeber oder der Kunden sowie der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses oder der Inanspruchnahme der Rechte der Arbeitnehmer berufen. Zudem verlangt Art. 12 ff. DSGVO die deutliche Nennung der Betroffenenrechte

23.08.2017Arbeitsrecht

Fristlose Kündigung wegen heimlicher Aufnahmen eines Personalgesprächs ist wirksam

Eine fristlose Kündigung gegenüber einem Arbeitnehmer, der zu einem Personalgespräch eingeladen wird und dieses heimlich mit seinem Smartphone aufzeichnet, ist wirksam. 

In dem Fall, den das LAG Hessen zu entscheiden hatte, wurde der Kläger zu einem Personalgespräch mit Vorgesetztem und dem Betriebsrat eingeladen, da ihm vorgeworfen wurde, dass er Kollegen beleidigt und eine Kollegin verbal bedroht habe. Bereits einige Male zuvor hatte der Kläger in einer E-Mail an Vorgesetzte einen Teil seiner Kollegen als „Low performer“ und „faule Mistkäfer“ bezeichnet und war deshalb abgemahnt worden. Einige Monate nach dem Personalgespräch erfuhr die beklagte Arbeitgeberin durch eine E-Mail des Klägers von der heimlichen Aufnahme. Sie kündigte daher dem Kläger fristlos. Der Kläger erhob Kündigungsschutzklage und machte geltend, er habe nicht gewusst, dass eine Tonaufnahme verboten sei. Sein Handy habe während des Gesprächs offen auf dem Tisch gelegen. Nach der Entscheidung des LAG Hessen verletzt die heimliche Aufnahme des Personalgesprächs das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Gesprächsteilnehmer nach Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 2 GG. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht gewährleistet auch das Recht auf Wahrung der Unbefangenheit des gesprochenen Worts. Der Gesprächsteilnehmer hat selbst zu bestimmen, ob Erklärungen nur einem bestimmten Kreis, z. B. den anderen Gesprächspartnern, oder der Öffentlichkeit zugänglich sein sollten.

(LAG Hessen, Urteil vom 23.08.2017, 6 Sa 137/17)

17.01.2012Gesellschaftsrecht

Zur Haftung des aus einer Gesellschaft ausgeschiedenen Gesellschafters als Scheingesellschafter

Der Gesellschafter, der aus einer bestehenden Gesellschaft ausgeschieden ist, aber weiter als Gesellschafter nach außen auftritt, kann als Scheingesellschafter für Verbindlichkeiten der Gesellschaft haften. Voraussetzung ist, dass er gegen den gesetzlichen Rechtsschein nicht pflichtgemäß vorgegangen ist und sich ein Dritter bei einem geschäftlichen Verhalten auf den Rechtsschein verlassen hat.

(BGH, Urteil vom 17.01.2012, II ZR 197/10)

12.01.2012Zivilrecht

Zum Beginn des Haftungszeitraums gemäß § 425 Abs. 1 HGB bei Beschädigung von Frachtgut während der Lagerung durch den Frachtführer

Für den Beginn des Haftungszeitraums gemäß § 425 Abs. 1 HGB ist es nicht erforderlich, dass der Frachtführer unmittelbar nach Erlangung des Besitzes am Transportgut mit der vertraglich vereinbarten Beförderung beginnt. Lagert der Frachtführer das Gut zunächst aus Gründen vor, die seiner Sphäre zuzurechnen sind, beispielsweise wegen fehlender Tragsportkapazität, so beginnt die Obhutshaftung des § 425 HGB bereits mit der vom Frachtführer vorgenommenen Vorlagerung.

(BGH, Urteil vom 12.01.2012, I ZR 214/10)